Interview mit Sylva Brit Jürgensen - Teilnehmerin am Bürgerrat Klima

In unserem Interview für den Newsletter „Klimaschutz im Alltag – Aus der Region für die Region“ haben wir Anfang Dezember 2021 unsere Fragen an Sylva Brit Jürgensen aus Schleswig-Holstein gestellt. Sie war eine der Teilnehmer:innen des Bürgerrats Klima, der Maßnahmen für Deutschland zum Umgang mit der Klimakrise entwickelt hat. Das Besondere daran: die 160 gelosten Bürger:innen stellen einen Querschnitt der deutschen Bevölkerung dar, wurden von Expert:innen zum Thema Klimaschutz informiert und erarbeiteten gemeinsam in 12 Sitzungen Maßnahmen für die zukünftige Klimapolitik der Bundesrepublik Deutschland. Im September 2021 wurde das Bürgergutachten mit Empfehlungen für die Handlungsfelder Mobilität, Energie, Gebäude und Wärme sowie Ernährung an die Politik überreicht. Weitere Informationen finden sie unter auf der Webseite des Bürgerrats.

1. Mögen Sie uns etwas zu Ihrer Person verraten?

Mein Name ist Sylva Brit Jürgensen und ich bin gebürtige Kielerin. Ich bin ein sehr agiler und offener Mensch und mein Herzensthema ist es, die positive Entwicklung von Menschen zu unterstützen und dabei die wunderbare Schöpfung unseres Planeten zu respektieren. Daher arbeite ich als Förderschullehrerin im Bereich Inklusion und als Spiel- und Theaterpädagogin im Bereich Bildung für Nachhaltige Entwicklung. Z.B. habe ich mit einer Kollegin eine berufsbegleitende Weiterbildung konzipiert, die seit über 20 Jahren am Institut für Weiterbildung der FH Kiel angeboten wird: NaturSpielpädagogik.

2. Wie kam es zu Ihrer Teilnahme am Bürgerrat?

Ich wurde im Februar 2021 angerufen und gefragt, ob ich beim Bürgerrat Klima mitmachen möchte, da ein Computer mich anhand meiner Telefonnummer ausgelost hatte. Ich war sofort begeistert, etwas zu unterstützen, was unsere Demokratie stärkt und zu einer positiven Transformation beitragen könnte.

3. Welche Gruppe repräsentieren Sie im Bürgerrat?

Da die 160 ausgelosten Menschen einen Querschnitt durch die Bevölkerung unserer Republik darstellten und zahlenmäßig der Bevölkerungszahl des jeweiligen Bundeslandes entsprechen sollten, repräsentiere ich also eine Frau zwischen 50 und 60, Akademikerin ohne Migrationshintergrund in einer Stadt lebend. Zunächst wurden einige Sitzungen allgemein zur Information durchgeführt, später wurden wir einzelnen Handlungsfeldern zugeordnet. Ich habe dann mit 40 anderen Menschen im Handlungsfeld Gebäude und Wärme diskutiert und Empfehlungen ausgearbeitet. Das war sehr anspruchsvoll und mir wurde deutlich, welch ein wichtiges Thema energetische Gebäudesanierung in den nächsten Jahrzehnten darstellt.

4. Hatten Sie vorher bereits Berührungspunkte mit dem Thema Klimaschutz?

Da ich mich seit über 25 Jahren mit dem Thema Umweltbildung beschäftige, dachte ich zunächst, dass ich daher „ausgewählt“ worden sei. Ich war überrascht, dass es lediglich meine Telefonnummer war, die ein Computer per Zufallscode ermittelte. Bildung für Nachhaltige Entwicklung (BNE) ist ein Querschnittsthema in den Bildungsplänen und beschäftigt mich somit jeden Tag.

5. Welche Erkenntnisse über den Klimawandel waren Ihnen bisher nicht bekannt?

Da ich in den letzten Jahren ein Wald-Schullandheim geleitet habe, welches BNE-zertifiziert wurde, habe ich mich viel mit den Themen des Klimawandels beschäftigt und auch, was Institutionen verändern können, um ihren CO2 – Ausstoß zu vermindern, Energie zu sparen und bei Schüler:innen ein Bewusstseins-Fenster dafür zu öffnen, selbst etwas zu tun. Wie schwierig es sein wird, den zukünftigen riesigen Energiebedarf zu decken mit regenerativen Energien, war mir so nicht bewusst. Auch, dass der private Personenverkehr sowie Flugverkehr weniger CO2- Ausstoß verursacht gegenüber dem Ausstoß durch Massentierhaltung war mir so deutlich nicht bewusst. Das Thema Meeresspiegelanstieg durch Polkappenschmelze macht mir besonders Sorgen, da ich direkt an der Flensburger Förde lebe.

6. Welche Maßnahmenideen des Bürgerrats sind Ihnen besonders wichtig?

Der Bürgerrat Klima setzt sich dafür ein, dass die Politik das Thema Klimawandel in alle Entscheidungen miteinbezieht, Gesetze im Hinblick auf die Klimaneutralität überprüft und die gesamte Gesellschaft sich beteiligt, um das wichtige Ziel der 1,5 Grad Erderwärmung einzuhalten. Es ging uns Bürgerräten in unseren Diskussionen besonders um eine gerechte Verteilung von Ressourcen, das Respektieren des Tierwohls, den Zugang zu gesunden, regionalen biologischen Lebensmitteln sowie insgesamt eine soziale Gerechtigkeit, die einer Spaltung der Gesellschaft entgegenwirkt und innovative Technologien wertschätzt, die eine zukunftsfähige Transformation vorantreiben.

7. Hat Sie die Teilnahme am Bürgerrat persönlich verändert?

Ich achte persönlich noch stärker darauf, weniger Müll zu produzieren. Ein Ziel für 2022 ist ein plastikfreies Badezimmer. Ich habe mich getraut, Kandidierende meines Wahlkreises für den Bundestag anzuschreiben und mich mit ihnen zu treffen, um die Empfehlungen zu überreichen. Dabei habe ich sehr schöne Gespräche geführt. Das hat mir Hoffnung gegeben, dass es noch Politiker:innen gibt, die nicht nur auf ihr eigenes Wohl bedacht sind, wie es zur Zeit oft scheint, sondern sich tatsächlich noch als Volksvertreter:innen sehen und das Bürgerwohl und den Klimawandel ernstnehmen.

8. Was war Ihr Highlight bei der Mitarbeit im Bürgerrat?

Gleich zu Beginn das „Parlament der Dinge“ bei denen wir vorgeschlagen und abgestimmt haben, was uns wirklich wichtig ist. Mir wurde warm ums Herz, weil so viele von sozialer Gerechtigkeit und Respekt für unsere Natur schrieben. Zum Schluss war ich sehr dankbar an der Formulierung für den Leitsatz Nr. 1 mitzuarbeiten, den ich für sehr gelungen halte.

9. Welche Relevanz haben die im Bürgerrat getroffenen Beschlüsse für Politik, Gesellschaft und Verwaltung?

Man könnte meinen, die neue Ampel-Koalition hätte mit im Bürgerrat gesessen. Es werden unglaublich viele unserer 80 Empfehlungen berücksichtigt. Das macht uns natürlich froh und auch selbstbewusst, dass Bürgerräte jetzt schon und auch zukünftig einen wichtigen Teil gelebter Demokratie ausmachen sollen.

10. Wurden bereits Ideen/Forderungen aus dem Bürgerrat umgesetzt?

Die Empfehlungen sind im Herbst 2021 der sich neu bildenden Regierung übergeben worden. Daher ist es erstmal von Wichtigkeit, dass diese in neuen Gesetzen und den Gesprächen der Koalitionspartner Berücksichtigung finden. Hier ein Auszug aus dem heutigem (2.12.2021) Newsletter des Bürgerrats Klima:
„Viele Empfehlungen aus dem Bürgergutachten finden sich mehr oder weniger akkurat auch im Koalitionsvertrag wieder. Besonders hervorzuheben sind die von den Koalitionären geplanten Stellschrauben in den Bereichen Energie, Gebäude/Wärme und Ernährung, in denen Klimaschutz-Maßnahmen genannt werden, die auch von den 160 Teilnehmer:innen des Bürgerrat Klima erarbeitet wurden. In anderen Sektoren wie in der Landwirtschaft oder der Verkehrspolitik fehlt es dem Koalitionsvertrag an Konkretisierungen, um das angestrebte Emissionssenkungs-Ziel zu erreichen. Hier muss dringend nachgebessert werden – das Bürgergutachten mit seinen mutigen Handlungsempfehlungen kann dabei helfen!“

Herzlichen Dank Frau Jürgensen für die spannenden Einblicke in Ihre Mitarbeit beim Bürgerrat Klima!